Zur Veranstaltungsreihe “Mein Feuer brennt für…”

«Jeder Mensch ist ein Künstler.»
Joseph Beuys[1]


[1] „Jeder Mensch ist ein Künstler. Damit sage ich nichts über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt […] Das Schöpferische erkläre ich als das Künstlerische, und das ist mein Kunstbegriff.“

https://modernperformanceart.wordpress.com/essays/joseph-beuys-jeder-mensch-ist-ein-kuenstler/

Ich habe einen wunderbaren Beruf, durch den sehr verschiedene Menschen mir Einblicke hinter die Fassade ihres «öffentlichen Lebens» erlauben. Das schätze ich sehr. So habe ich gelernt, dass sich die Grösse eines Menschen nur selten im öffentlichen Leben zeigt, sehr oft aber in seinem Seelenleben. Hier sind viele wahre Helden, jeweils in einem einzigartigen auf sie zugeschnittenen Drama.

Ist es nicht schade, dass die Öffentlichkeit von diesen Heldengeschichten fast nie etwas erfährt? Vielleicht. Vielleicht ist es auch gut so. Denn was das Seelenleben angeht, ist die Öffentlichkeit gewöhnlich in einem Mobbingmodus: Geringschätzig, verächtlich, ausgrenzend, plagend, brutal. Kein Wunder, dass die Helden ihre Geschichten verstecken, ja sogar vergessen.

Aber was ist denn «die Öffentlichkeit»? Bei näherer Betrachtung erkennen wir, dass es sich um eine fixe kollektive Vorstellung handelt, die alle für gegeben hinnehmen, weil sie täglich durch die Mainstream-Medien Zeitung, Radio, Fernsehen erzeugt und wiederbelebt wird – im ersten Schritt. Im zweiten Schritt machen wir alle in einer eher unbewussten Anpassungsreaktion mit. Wir wollen ja schliesslich dazugehören. Vielleicht sogar wünschen wir uns eine «Person des öffentlichen Lebens» zu sein – für den Preis, uns dieser Öffentlichkeit mit ihren Bedingungen unterwerfen zu müssen. Nur: Durch diesen selbst verantworteten zweiten Schritt verfestigen wir diese «Öffentlichkeit» so sehr, dass sie uns schliesslich wie in Stein gemeisselt erscheint.

Wir haben das geschaffen!

Wir können uns jedoch auch eine ganz andere Öffentlichkeit vorstellen und gemeinsam erschaffen: Eine wirklich offene Öffentlichkeit, in der wir unsere alten Vorstellungen, und Klischees bewusst beiseiteschieben und uns in die Pflicht nehmen, uns selbst und unseren Mitmenschen vorurteilsfrei zu begegnen. In der wir es wagen, uns zu akzeptieren und zu zeigen, wie wir wirklich sind – und dabei auch noch zu lieben. In der wir mehr darauf achten, in uns allen den göttlichen Kern, die individuelle Einzigartigkeit und das grossartige Potenzial zu entdecken, anstatt uns gegenseitig mit einer unehrlichen Fassade zu blenden, die von den anderen sowieso schnell durchschaut ist und dann nur noch als langweilig und ätzend wahrgenommen wird.

Das Geschenk solch einer gemeinsamen, wertschätzenden Haltung und Ausrichtung ist eine Kultur des Erblühens der Menschen aus ihrer Seele heraus, durch Kommunikation mit dem Herzen. Einem Menschen zuzuhören, den ein Thema zutiefst bewegt, hat eine innerlich wärmende Qualität, eine ganz andere, als die wohl freundliche, vielleicht auch lebendige, aber im Wesen doch distanzierte Verkaufspräsentation einer Sache.

Wir schaffen das!

Die Idee

Weil mir diese herzensoffene Öffentlichkeit ein wesentliches Anliegen ist, habe ich innerlich gejubelt, als Chantal mit «Mein Feuer brennt für…» die Idee einer neuen Veranstaltungsreihe in die Runde einbrachte.

Ich habe schnell gesehen, dass mit diesem Format endlich die alte, unsägliche, künstlich geschaffene Mauer überwunden werden kann, zwischen dem ausgewiesenen Experten hier und den fast schon peinlich unwissenden Dilettanten dort, oder den Laien, deren Applaus hoch geschätzt, deren Mitreden aber nicht erwünscht ist. Nicht nur überwunden, auch aufgeweicht und schliesslich entsorgt.

Was ist also die Idee von «Mein Feuer brennt für…»? Einfach: Du bist von etwas begeistert und möchtest es gerne mit anderen teilen. Wir ermutigen und unterstützen dich es zu tun, dich mit dem einfach zu zeigen und dir dafür ein Publikum zu bieten, das aber nicht nur zuhören, sondern auch mitreden darf – ehrlich und wertschätzend. That’s it!

Klingt einfach, oder? Ist es auch. Das Einzige, was es schwierig machen kann, sind unsere Prägungen und darauf basierende Erwartungen und Muster, die dem alten Begriff von Öffentlichkeit verhaftet sind. Dass die nicht zum Zuge kommen, dafür müssen wir alle im Rahmen dieses Formats gemeinschaftlich Sorge tragen.

Bedenke!

Dafür brauchen wir ein Entgegenkommen von zwei Seiten: Einmal von dem Menschen, den es innerlich eigentlich drängt, seine Begeisterung für etwas mit anderen zu teilen (was das Natürlichste auf der Welt ist), andererseits vom «geschätzten Publikum», das sich eigentlich gerne begeistern lassen möchte (was auch das Natürlichste auf der Welt ist).

Auf der Seite derjenigen, die die Fackel der Begeisterung in den Raum tragen, können sowohl falsche Bescheidenheit wie auch ein übertriebener Geltungsdrang, das Feuer ablöschen. Die Botschaft an beide Typen ist: Es geht nicht um dich als Person (persona = was durch die Maske hindurchtönt), sondern um die Entfaltung deiner Seele, der wir Raum geben möchten.

«Entfaltung der Seele» – wie klingt das für dich in diesem Zusammenhang? Kommt ein innerliches «Ja – das ist es, was ich mir zutiefst im Herzen wünsche!»? Wow! Dann bist du berufen, in deiner Begeisterung zu brennen und Funken zu versprühen, beginnend im Rahmen von «Mein Feuer brennt für…! Oder kommen da «Wenns» und «Abers» und Abwertungen oder gar Entsetzen? Dann bist du berufen, für dich zu klären, woher diese Reaktionen in dir kommen und was dir (und in der Folge wohl auch anderen) dieses Urbedürfnis der Seele madig machen will.

Entfaltung der Seele. Eine denkbare Reaktion auf diesen Gedanken ist: «Jetzt werden aber hohe Ansprüche gestellt – da löscht’s einem grad ab!» Nein. Die Entfaltung der Seele ist das natürlichste Urbedürfnis – doch nicht von dieser Welt. Ansprüche und die Empfänglichkeit für Ansprüche kommen allesamt vom Ego, dem «kleinen Ich», einem in unserer Entwicklung notbehelfsmässig konstruierten Ersatz unserer wahren Natur. Es ist ein Teil der alten Matrix mit ihrer harten Öffentlichkeit. Wenn du beim obigen Gedanken Ansprüche siehst, dann sind es Projektionen des Egos, das auf Ansprüchen aufgebaut ist, das von «Entfaltung der Seele» nichts versteht und nichts verstehen will, weil die Entfaltung der Seele dessen Sterben bedeutet.

Auf der Seite des «geschätzten Publikums» geht es im Grunde ums Gleiche. Es geht darum, Projektionen auf den «Fackelträger» (die unser Ego laufend generiert) keinen Nährboden zu geben. Es gibt nun keine Jury mehr, die mit ihren (aufgrund der Masse) mächtigen Bewertungen Urteile über die Qualität eines Referenten fällt, zum Beispiel in der Betitelung «Experte» oder «Spinner» (=negativer Experte). Sowohl haltlos euphorische Begeisterung wie auch vernichtende Urteile sind oft aus einer fragwürdigen Quelle gespeist.

Es geht vielmehr um ein aufmerksames Lauschen, um Teilhabe und Resonanz am begeistert «brennenden» Thema: Ich gehe wach und achtsam mit und spüre in mir dadurch Stimmigkeit in einem Bereich, vielleicht aber auch Unstimmiges woanders, oder Diffuses, Unklares wieder an anderer Stelle. In mir tauchen wichtige Fragen auf, die beantwortet und geklärt sein wollen, oder etwas drängt mich innerlich, zu einem Punkt etwas zu sagen. Das soll hier alles Platz haben, in einem grundsätzlich anteilnehmenden, wertschätzenden und respektvollen Rahmen.

Eine grosse Chance

Wenn wir auf das Wesentliche achten, werden die Treffen unter dem Banner «Mein Feuer brennt für…» für alle eine unglaubliche Bereicherung sein, ein tiefgehendes Gemeinschaftserlebnis, das den Rahmen des Möglichen bei den üblichen Veranstaltungen für Konsumenten sprengt. Weil wir alle mit unserer Energie und Einzigartigkeit aktiv dazu beigetragen haben.

So mag die Fackel viele weitere entzünden und zum Lauffeuer einer neuen, menschlichen Kultur werden, in der sich die Seele nicht nur im stillen Kämmerlein oder in einem Kloster scheu zu entfalten versucht, sondern mitten in der Gemeinschaft – und irgendwann auch in der sich entsprechend wandelnden Öffentlichkeit. Das ist die Qualität des Wassermannzeitalters.

Und wer weiss: «Vielleicht werden aus den hier entzündeten Flammen noch weitreichende Projekte entstehen…